08 Mai, 2009

Die Frauen der Familie Belle


Wow, ich habe das Buch gestern abend bekommen und über Nacht gelesen. Ich konnte einfach nicht aufhören.

Zuerst einmal muss ich sagen dass die Aufmachung wirklich toll ist. Es ist ein dunkelrotes Hardcover mit Goldprägung, goldgelbem Vorsatzpapier und einem leicht kitschigen Schutzumschlag. Der Satz ist sauber, die einzelnen Kapitel sind liebevoll gestaltet und beginnen mit einem ziervoll verschlungenen Buchstaben. Der Schriftgrad scheint mir etwas groß (vor allem im Vergleich zu den englischen Taschenbüchern, die ich gewohnt bin), aber es stört nicht. Es sorgt lediglich dafür, dass die Seiten nur so dahinschwinden und 350 Seiten auf einmal problemlos machbar sind. Maßstab ist hier freilich ein Lesejunkie ;-)
Um seine Geschichte betrogen wird man aber trotzdem nicht. Die Zeichen pro Seite würde ich ziemlich als Standard bezeichnen, was bedeutet, dass die Textmenge den 350 Seiten schon entspricht.
Alles in allem ist das Buch einfach eine Augenweide und sieht jetzt auch im Buchregal nett aus.

Die Erzählstimme ist eher passiv, und auch eindrucksvolle Details, Farben, Gerüche, Atmosphäre muss man sich meist denken. Die Geschichte passiert mehr im Kopf als im Buch. Trotzdem hat gerade die kühle Distanziertheit des Erzählers einen ganz besonderen Charme, und bei den vielen anzüglichen oder spitzen Bemerkungen musste ich jedesmal herzhaft lachen.
Die Geschichte besteht aus vielen anekdotenartigen Ereignissen, die die einzelnen Charaktere und ihren Hintergrund etwas ausleuchten. Die Hauptstory schlägt Haken darum und tritt in den Hintergrund, bevor sie ihren Weg fortsetzt. Trotzdem finde ich, dass nichts umsonst geschrieben wurde, vielmehr sieht man in den vielen kleinen unterschiedlichen Ereignissen das Ganze. Betrachtet man nur die direkte Handlung, so wäre sie unvollständig. Ob man den Stil mag, in dem das Buch geschrieben ist oder nicht ist sicher Geschmackssache.
Manchmal musste ich ein bisschen an Groschenromane denken. Die Sprache ist einfach und die Handlung nicht recht komplex. Alle paar Seiten geht es um Sex, und die Story ist ein klassisches "Wer-mit-wem". Da die Autorin allerdings auch hier nie sehr ins Detail geht, hat mir (Schmachtfetzenverweigerin) das nichts gemacht. Auch die Charaktere sind recht durchschaubar, und treffen wie mir auffiel meist auf ihren genauen Gegensatz, was zum Teil recht lustig endet.
Wer komplexe Persönlichkeitsstudien und aufregende Wendungen möchte hat hier leider Pech. Ich meine das gar nicht negativ, es ist einfach leichte Lektüre :-)

Zur Story selbst, und jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht gleich alles verrate...
Die Geschichte spielt in den Südstaaten, um die Zeit des zweiten Weltkriegs, aber auch davor und danach. Die Familie Belle ist stinkend reich, sieht aber keinen Anlass es sich raushängen zu lassen. Charlotte Belle, eine harte Geschäftsfrau zieht ihre verwaiste Nichte Angela groß, die sich entgegen all ihrer Bemühungen als selbstlose Wohltäterin entpuppt. Sie versteht es, wie alle Frauen ihrer Familie, Männern den Kopf zu verdrehen, und sie nutzt diese Gabe nicht selten um Gutes damit zu erreichen. Die Belles sind Hexen nach meinem Geschmack - sie sind hellsichtig, hart, manipulativ und ein Hafen der Hoffnung für die, die am Ende sind. Sie bestimmen von ihrer Küche aus das Stadtgeschehen und scheren sich nicht um die Meinung anderer. Sie sind angesehen, gefürchtet und gehasst. Die praktisch zweite Hauptrolle geht an den jungen Arzt aus Boston, in dessen Blumenbeet Angela im Alter von siebzehn Jahren ihre Tochter gebiert und dessen prüde Frau Lydia. Die beiden führen eine sehr angespannte Beziehung, die nur von Pannen zusammengehalten wird. Besonders über Lydia musste ich immer wieder lachen, auch wenn ich manchmal Mitleid bekam.
Ich würde sagen, in dem Buch geht es um Liebe und die vielen Arten sie zu zeigen, zu leben, oder sie zu verweigern. Die vielen einzelnen Schicksale sind stets mit Liebe verbunden, und über die Jahre sieht man, wie sie sich entwickelt.

Das Buch zu lesen hat mir einfach Spaß gemacht, ohne großen Anspruch auf literarischen Wert zu erheben. Brecht und Schiller mochte ich eh noch nie. Natürlich könnte es hintergründiger, ausgefeilter, komplexer ect. sein, aber es enthält viel Wahrheit und viel Herz, und deshalb finde ich es auf jeden Fall lesenswert.

...Wo immer die Wahrheit auch liegen mag – und in unserer Gegend ist sie bekanntlich sehr flexibel –, viele junge Männer haben ihr Wissen über die weibliche Anatomie der Betrachtung von Musette Belles Statue zu verdanken, so wie nicht wenige ihrer Vorfahren diese am lebenden Modell studieren konnten. Selbst im Tod gelingt es Musette noch, die braven Bürger von Leaper’s Fork zu schockieren, und ihre weiblichen Nachkommen bemühen sich nach Kräften, ihrem Erbe gerecht zu werden. Musette gebar Solange, die wiederum Charlotte und Odette das Leben schenkte. Und Odette gebar Angela und die Dixie. Wenn es etwas gibt, das die Belle-Damen lieben, dann, sich fortzupflanzen. Manche Frauen verkaufen ihren Körper wie Huren ihre Eheringe. Manche benutzen Sex als Waffe. Aber es gibt Frauen, die, wie Jesus, einen Mann durch die bloße Kraft ihrer Berührung heilen können. Jeder Mann, der vom Bett eines weiblichen Mitglieds der Familie Belle aus den Sonnenaufgang sieht, wird schwören, in dem Moment von den Toten auferstanden zu sein.

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